Durch dick und dünn

Man ist gut beraten, über eine Routine zu verfügen, die es einem erlaubt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn es einem seelisch mal nicht so gut geht. Das kann z.B. das Ausschütten von Endorphinen durch sportliche Betätigungen sein. Hab` ich versucht, wirkt bei mir auch ganz anständig aber noch besser als Eisen fressen oder laufen ist Schokolade essen. Manche Menschen beten in Krisensituationen oder rezitieren Mantras. Bei mir werden Glücksgefühle erzeugt, wenn ich mein Belohnungzentrum ohne Umwege stimuliere und mir etwas Schönes kaufe. Und wenn das alles nicht hilft, gehe ich auf mein Schiff und segle über das Meer. Da bin ich mir sicher, dass ich zumindest zeitweise aus einem Tief herauskommen kann.

Das Dumme ist nur, dass ich kein Boot hatte, auf dem ich segeln konnte, als es mir vor einem Jahr so schlecht ging, dass nicht einmal mehr Schokolade und das Warenangebot von Amazon mich zu trösten vermochte. Konsequenterweise machte ich mich auf die Suche nach einem käuflich zu erwerbenden Segelboot aus Schokolade. Im Internet.

Jeanneau Sangria
Auf der Suche nach meinem Trösterchen sah ich sie. Sie war alt und sie war klein. 
 
Maria und "Ship Doe"
Ich habe im Grunde nur eine Bedingung an meine Boote: sie müssen mit mir durch dick und dünn. Darauf muss ich mich verlassen können. Und dass die Kleine hochseefähig ist, sah ich auf den Fotos gleich. Dass sie osmosefrei ist, versprach mir der Verkäufer am Telefon. Sie gefiel mir, also kaufte ich sie.
Sie lag bei einer Werft in der Nähe von Hamburg an Land auf einem Bock. Bei meinem ersten Besuch auf dem Schiff dachte ich folgendes: ACH DU SCHEIßE! Im Inneren standen zwanzig Zentimeter Diesel mit Wasser und es stank bis zum Himmel. Es war dunkel wie in einer Bärenhöhle und die Kabellage um die Batterien erinnerte mich fatal eine große Portion Spaghetti.




Alles Weitere mach ich kurz:
  • zunächst änderte ich den Schiffsamen übergangsweise in "Ship Doe"
  • als der Winter näher kam, plante ich das Schiff ab
  • ich erkannte, dass auf diesem 4-Kojen-Schiff niemals fünf Personen gleichzeitig Platz finden werden, beim besten Willen nicht
  • ich beauftragte also die Werft "Ship Doe" wieder zu verkaufen
  • während eines Sonntagnachmittagspaziergang bot ich in einem Anfall von Sentimentalität Maria das Schiff als Geschenk an
  • sie lehnte ab
  • sie überlegte
  • sie nahm an
  • ich beauftragte die Werft, die Verkaufsbemühungen zu stoppen
  • wir überführten das Schiff von Hamburg über die Straße nach Hooksiel. Dort liegt sie jetzt an Land auf einem Bock und wartet geduldig auf ihre Instandsetzung
  • wir sind glücklich mit dieser Entwicklung
Es spielt keine Rolle, ob man es sich schönredet oder zurechtbiegt - allein das Ergebnis zählt. "Ship Doe" ist zwar Umwege gegangen aber jetzt gehört sie zu uns. Wir freuen uns auf das Schiff und sind sehr gespannt, welche Rolle es in unserem Leben noch spielen wird. Sie ist ein Teil unseres Plans.
Jetzt braucht sie einen guten Namen.





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