Jäger und Sammler

Vierundzwanzig Kilometer lang, zehn Kilometer breit, vom Wasser umschlossen und auf jeden Einwohner kommt mindestens ein Schaf. Die holländische Insel Texel ist die westlichste und größte der westfriesischen Inseln. Die Gemeinde bezieht ihre Einnahmen im überwiegenden Teil aus den Börsen der Touristen. Als überrannt würde ich das Eiland dennoch nicht bezeichnen; Spaziergänger verlaufen sich an dem fast dreißig Kilometer langen Sandstrand, der die Insel an der zur Nordsee gewandten Seite in zum Teil mehreren hundert Metern Breite säumt. Wenn man es darauf anlegt, kann man stundenlang stramm marschieren ohne jemandem zu begegnen.

Der Texeler Strand bei Sturm
Wir kommen gern in den kälteren Jahreszeiten hierher und lassen uns den Wind um die Ohren wehen. In den ersten Jahren waren wir manchmal als Sondengänger mit einem Metalldetektor am Strand unterwegs um verlorene Gegenstände zu orten, zu bergen, zu sammeln. Den größten Teil der Zeit allerdings sammelten wir metallenen Müll auf, der unter der Oberfläche des feinen Sandes lag. 



Selbst wenn wir nichts von Wert fanden (was meist der Fall war), verließen wir den Strand mit dem guten Gefühl, etwas aufgeräumt zu haben. Die mickrige Ausbeute stand am Ende aber in keinem Verhältnis zu den abgefrorenen Fingergliedern. Schließlich ließen wir es bleiben.
In der Zeit darauf verlegten wir unsere Aufmerksamkeit auf an den Strand gespülte Fundsachen - Strandgut. Am Ufer eines Meeres ist es wie auf See: wer die Augen aufhält, wird etwas finden.

Strandgut an der Küste von Texel: ein angespültes Geisternetz
Die überwiegende Anzahl der angespülten Gegenstände bestehen aus Plastik und stammen offenkundig von Fischereifahrzeugen. Klar, da kann während der harten Arbeit auf'm Kutter immer mal etwas über Bord gehen, passiert halt. Die angelandeten Fischboxen jedoch, die wir bisher entdeckt haben, sind ausnahmslos an den Griffen gebrochen. Da kann man nicht mit Sicherheit ausschließen, dass diese nicht ganz zufällig im Meer gelandet sind. Besonders ärgerlich finde ich es, wenn wir Teile von Fischernetzen finden, von denen fachgerecht alle wieder verwertbaren Schwimmkörper abgeschnitten wurden, bevor dann die Reste der wertlosen Netze, hoppsala, ins Meer "fielen". Und solange ich weiß, dass es gängige Praxis ist, wenn beschädigte Teile von Fischernetzen aus Kostengründen nicht geflickt, sondern großzügig freigeschnitten und durch neue ersetzt werden, mag ich nicht einmal eine Sekunde lang darüber diskutieren, ob in den Meeren und Ozeanen treibende Geisternetze möglicherweise Lebewesen nicht auch als Habitat dienen könnten.

Angespülte Fischerboxen dienen Mathilda und Olivia als Sammelbehälter für Plastikmüll
Die Leine in dem Netz schien noch ganz in Ordnung zu sein. Der Jäger in mir schnitt die Leine frei. Den Rest sammelten wir ein und mit dem Seil zogen Mathilda und Olivia zwei Fischboxen mit dem Geisternetz und Plastikmüll zu den Mülleimern an den Strandzugängen. Der Sammler in mir nahm das Seil mit in unsere Texeler Ferienwohnung. Na sowas, rein zufällig hatte ich den Takelsack mit Segelgarn und Nadeln dabei. So schnitten wir aus dem alten Tau noch Zeisinge und setzten Taklinge auf die Enden. Die Zeisinge sollen erste Ausrüstungsgegenstände für Marias Sangria werden.


Aus alt mach neu, Upcycling mit Mehrwert: Zeisinge aus Strandgut

Dicht am Geschehen: Maria beim Wellenknipsen

Apropos Sangria. Wir haben noch immer keinen Namen für Marias Schiff.



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