Kairos lebt!

Die alten Griechen hatten Götter für jede nur erdenkliche Gelegenheit. Allein für die Zeit hatten sie derer gleich zwei; namentlich Chronos und Kairos. Salopp ausgedrückt war Chronos für die Quantität, also für die "Menge" der Zeit zuständig, während Kairos sich um die Qualität der Zeit zu kümmern hatte. Kairos gilt als "Gott der guten Gelegenheit". In verschiedenen Zeichnungen und Reliefs wird Kairos neben anderen Insignien mit einer Haartolle an der Stirn und einem kahlen Hinterkopf dargestellt. Das symbolisiert: warte den guten Augenblick ab, aber erkenne deine Chance und greife zu, wenn sie sich bietet. Der Ausspruch "die Gelegenheit beim Schopfe packen" lässt sich auf den griechischen Gott Kairos zurückführen. Ist die Gelegenheit erst verpasst, dann bietet sie sich kein weiteres Mal - man bekommt sie an dem kahlen Hinterkopf nicht mehr zu fassen.

Oder, um es mit Schiller zu sagen: 

„Was du dem Augenblicke ausgeschlagen,
Bringt keine Ewigkeit zurück.“

Oder, um es mit Wikipedia zu sagen:
"Kairos (griechisch Καιρός) ist ein religiös-philosophischer Begriff für den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung, dessen ungenutztes Verstreichen nachteilig sein kann. In der griechischen Mythologie wurde der günstige Zeitpunkt als Gottheit personifiziert."


Nicht, dass ich in der Schule Altgriechisch als Leistungsfach belegt hatte. Das Wissen um Kairos erwarb ich wortwörtlich beiläufig in einem Urlaub in Kroatien in der kleinen Hafenstadt Trogir bei Split. Dort befindet sich in einem kleinen Kloster eine Replik....usw. usf.


Eigentlich suchten wir gar kein Schiff. Jedenfalls nicht konkret. Zwar hörten wir uns locker mal im Bekanntenkreis um aber wir hatten nicht einmal ein Boot besichtigt, geschweige denn Probe gefahren.  

  "Kommst du, Schatz, wir müssen los. Die anderen warten schon auf uns."
  "Augenblick, myfanwe, ich komme sofort."
Wir waren zum Geburtstag eingeladen und ich blätterte gerade bei eBay einige Angebote in der Rubrik "Kielboote und Yachten" durch. Das mache ich ebenso nebensächlich wie andere Leute die Todesanzeigen in den Tageszeitungen studieren, in der Erwartung, einen Namen zu entdecken, den sie kennen. Wie gesagt, ich suchte nicht, ich schaute nur (nach einer guten Gelegenheit?).

Gerade wollte ich den Rechner zuklappen, als ich die Offerte entdeckte: Gutes Boot zum günstigen Preis - Preisvorschlag erwünscht, stand dort sinngemäß. Die Zeit drängte, Andrea saß schon im Auto als ich noch schnell meine Preisidee in das Formular tippte. Die Summe lag in einem Bereich, die, wenn sie vom Verkäufer angenommen werden würde, für mich in die Kategorie Schnäppchen fallen würde. Ich drückte die Entertaste.
Als wir Stunden später von der Party zurückkehrten, hatte ich eine Mail im Postfach, in der mir herzlich zum Kauf eines Bootes gratuliert wurde. Ach so geht das, so kommt die Jungfrau zum Kind!
Kairos in griechischen Gewässern.  Foto von A. Störtz
Ich mache es kurz: Das Schiff ist ein französischer Werftbau aus Serienproduktion, Baujahr 1998. Eine Jeanneau 36.2. Elf Meter lang, drei Kabinen, sechs Kojen, Küche, Bad, Balkon, Cockpit. Die Ausstattungsliste ist umfangreich und vieles von dem, was installiert wurde, hätte auch ich so verbaut. Um das Schiff für unsere Anforderungen weiter anzupassen, werden wir zwar noch Änderungen und Erweiterungen vornehmen - viel ist jedoch nicht mehr zu tun. Der Liegeplatz ist zurzeit auf der Insel Leros in Griechenland. In der letzten Woche traf ich dort den Verkäufer um das Schiff und die Schlüssel zu übernehmen. Gerne wären wir mit der ganzen Familie nach Leros gereist, aber so kurzfristig gab es keine Flugtickets mehr - ich habe für ein Heidengeld den letzten Platz im Flieger bekommen. Im nächsten Jahr werden wir das Schiff dann gemeinsam besetzen.
Das war jetzt eine sehr kurze Version von dem was zwischen dem Kauf bei eBay und heute passierte. Wenn dieser Blog lange genug gespeist wird, ergibt sich vielleicht die Gelegenheit ausführlicher zu werden.

Wie bei Marias Jeanneau wird es auch bei dem neuen Schiff eine Namensänderung geben. Aber im Gegensatz zu der Sangria wissen wir bei diesem Schiff schon genau, wie der neue Name lauten wird: Das Schiff soll Kairos heißen. Wir wollen es nach dem griechischen Gott der guten Gelegenheit benennen.
Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass diese Unternehmung durchweg ergebnisoffen und herrlich dynamisch bleibt, wurde durch den familiären Neuzugang nichts über Nacht in Stein gemeißelt, was nicht schon vorher sicher war und die Agenda gibt noch immer nicht mehr her als bereits im ersten Post dieses Blogs: Schau ma mal. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich Kairos in unser Leben integriert.
Im Augenblick sind wir fünf Personen und zwei Schiffe. Eines davon muss restauriert werden und steht in Hooksiel an Land, das andere ist im guten Zustand und liegt in Griechenland.
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