Ruhe im Karton

Im Flieger wie im Hospital: Sättigungsbeilagen an Plastik

Auch wenn die in einem Flugzeug dargebotene Kost sich - zumindest optisch -  nur marginal von der in einem Krankenhaus unterscheidet, werde ich tunlichst darauf bedacht sein, dass ich mein Essen, wenn es sich denn schon nicht anders einrichten lässt, innerhalb meiner Lebensbilanz zahlenmäßig öfter in 30.000 Fuß Höhe, als in der vermeintlich sterilen Umgebung eines Hospitals zu mir nehme.

Da gibt es den grünen und den grauen Star. Und es gibt den großflächigen, hufeisenförmigen Abriss mit Aderhautblutungen. Es gibt Lichtblitze, Rußregen, Gesichtsfeldeinengungen und Schatten im peripheren Blickfeld, die wie Insekten erscheinen. Manchmal wurde das Auge nach einer Netzhautoperation mit Gas, manchmal mit Silikonöl gefüllt. Manchmal wurde gespült, manchmal erfolgte nur ein Ölwechsel. Ich erlebte erblassende Augenärzte beim Anblick der Messergebnisse des Augeninnendruckes. Bei Bedarf wurden Kunststofflinsen eingesetzt und wieder entfernt. Es wurde geschnitten, genäht, geblendet, gelasert, getropft, gesalbt, gehofft, gebangt und einmal habe ich Blut geweint.

  "Was ist, wenn wir dieses Mal nicht operieren?", fragte ich den Augenarzt.
  "Dann wird die Netzhaut seitlich ziehen. Ihr Auge wird vermutlich schrumpfen und wir müssen es wahrscheinlich entfernen."
  "Können wir nicht einfach die Netzhaut entfernen?" Ich finde, dass diese Frage nach vier Jahren und sechs Operationen in drei Kliniken sowie unzähligen Stunden in Wartezimmern von Augenärzten nicht ganz unberechtigt ist. Immer ist es die Netzhaut, die Ärger macht. Die Stelle des schärfsten Sehens ist seit Jahren derart beschädigt, dass alles, was ich fokussiere, vor meinem Auge verschwindet. Meine Sehkraft auf dem rechten Auge fiel damals innerhalb weniger Minuten von 140 auf zwei Prozent. Später hat ein Glaukom den Sehnerv stark angegriffen. Ich gelte als "funktionell einäugig". Bei einer Routinekontrolle vor drei Tagen wurde erneut eine großflächige Netzhautablösung diagnostiziert.
  "Wir sind nicht hier um Netzhäute zu entfernen, wir sind hier, um sie zu retten", antwortete mein Arzt.
  "Aber ich habe auf dem Auge doch eh nur noch zwei Prozent...", sagte ich etwas resigniert. Zwar dient das Auge noch immer als so genanntes Hilfsauge beim räumlichen Sehen, ich bin mir aber mittlerweile nicht mehr sicher, ob dieser vermeintliche Vorteil den zeitlichen Einsatz und die ständigen Narkosen rechtfertigt.
  "Immerhin haben sie zwei Prozent. Das ist viel mehr als nichts. Wenn wir die Netzhaut entfernen, dann ist es rechts dunkel und zwar für immer", sagte er.
Er hat ja nicht unrecht. Wir vereinbaren, dass die Netzhaut eingeschnitten, angelegt und mittels Laserstrahlen angeheftet wird. Anschließend wird das Augenwasser durch ein Silikonöl ersetzt, das im besten Falle für viele Jahre dort verbleiben kann. Das Öl drückt auf die Netzhaut und soll ein nochmaliges Ablösen verhindern.
  "Damit bekommen wir das hin.", sagte mein Arzt. "Dann ist Ruhe im Karton."

Es ist nicht so, dass man mit Silikonöl im Auge besser sehen kann, als mit Gas. Es besteht jedoch eine größere Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auge über einen längeren Zeitraum unauffällig verhält. Außerdem kann man mit Öl im Auge fliegen, was man mit Gas wegen der Druckverhältnisse, die im Flugzeug herrschen, vermeiden sollte.

Bei der Planung zur Weltumsegelung im Jahre 2004 waren es lediglich ein paar Daten im Impfausweis und meine Zähne, die eine Überarbeitung benötigten. Heute, dreizehn Jahre später, kommen die Einschläge schon etwas näher. Weitestgehende gesundheitliche Unbedenklichkeit sollte zumindest bei den Vorbereitungen einer Reise gewährleistet sein. Und da kann schon mal so einiges zu Tage treten, was in den Jahren zuvor unter den Teppich gekehrt wurde. Und wie steht es eigentlich mit dem psychischen Wohlbefinden? Da auch alles in Ordnung? Körper, Geist und Seele - wir wollen doch wohl nicht glauben, dass sich irgend etwas von allein erledigt, nur weil wir unterwegs sind.

___________________________






Kommentare